Vom Leben und Treiben der Gerta B.

- Weihnachtsfolge -

Als der Weihnachtsengel schwer beladen herankeuchte - er tat das nicht irdisch schwitzend, sondern auf eine himmlisch erhabene Weise - , glaubte er, dass ihm nun (wie gewöhnlich) lauthals Lob und Dank gesungen werde. Gerta B. indessen befand die gelieferten Geschenke zwar himmlisch, zweifelsohne, aber leider Gottes bar jeder persönlichen Note: Es fehlte an schmuckvollen Zweiglein und Blättchen, das Weihnachtspapier war quer statt längs gefaltet, und manche Muster schienen ganz aus dem ästhetischen Gleise geraten. Also bat Gerta B. um Nachbesserung, und der Engel musste sich drein schicken; er gab sich himmlisch freundlich, wie es einem Engel geziemt. So arbeiteten sie unermüdlich unter Gerta B.`s kundiger Leitung, bis alles sehr gut war. Und siehe, es war alles sehr schön menschlich geworden, war von einem unverwechselbaren Stil. Der Weihnachtsengel, der bislang nur das für schön gehalten hatte, was direkt vom Himmel fiel, schaute drein, als ob er gerade "Reitet mich denn der Teufel?" sagen wollte, und er schämte sich sehr. Seine Verwirrung stand ihm deutlich im Gesicht, als er Gerta B. liebreich anlächelte, ehe er voller himmelhoher Gedanken entflog.
Gerta B. aber, während sie mit warmem Herzen inmitten aller der Geschenke wartete, sah heute aus wie der himmlische Liebreiz in Person.

Weihnachten 1995